Von Claudia Müller-Ebeling
Ich bin die Tochter einer Anästhesistin und eines praktischen Arztes1 , aufgewachsen in verschiedenen Haushalten und sozialen Schichten. Meine Eltern wurden geprägt vom Primat der Wissenschaft und der Ratio über “Aberglauben” und emotionale Spekulationen. Der Doktrin der 20er bis 40er Jahre entsprechend galt Wirklichkeit als wissenschaftlich belegbar. Was ausserhalb dieser wissenschaftlich rationalen Weltsicht lag, gehörte in die Bereiche von Mythos und Märchen. Nüchternheit und Objektivität war das, was zählte in der Nachkriegszeit, in der beide studierten.
Zum Glück kam meine Mutter aus dem Riesengebirge in Niederschlesien (heute Polen), wo Rübezahl die Menschen an ihre heidnische Vergangenheit erinnerte. In den vorchristlichen Rübezahl-Mythen spielt der mythische Naturriese Rübezahl den Machtsüchtigen, Reichen und Hartherzigen heim und begünstigt die Schwachen und Benachteiligten, die das “Herz auf dem richtigen Fleck haben”.
So wurde ich in eine Mischung aus kartesianischer Weltsicht und Mythos geboren und wusste schon früh, dass ich darin meinen eigenen Weg finden und behaupten musste.
Lektionen aus der Vergangenheit
In Freiburg, im äussersten Südwestzipfel und geografisch wärmsten Ort Deutschlands, je 45 Autominuten entfernt vom französischen Elsass und schweizerischen Basel, landete die Hippiezeit spät. 1972 hatte ich den ersten Kontakt zur “Strassenszene”. Auf den Hauptgeschäftsstrassen tummelte sich fahrendes Volk, das die Hippietrophäen aus Indien und Marokko verscherbelte: Räucherstäbchen, Schmuck, Spiegelstickereien aus Südindien und Keramikschalen aus Marokko – und natürlich schwarzen Afghan oder Nepali und grünen Marokkaner.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich, – Tochter aus akademischem Haus – aufgewachsen in der Familie einer Putzfrau und eines Busfahrers, eines Ex-Generals und einer Fuhrunternehmersfamilie – das erste Mal mit der sogenannten “Kifferszene” in Kontakt kam. Von Zuhause “wusste” ich, dass “Haschrauchen” sofort abhängig macht und geradewegs zu noch stärkerem Rauschgift und unausweichlich in die Gosse führt. Man hatte mir beigebracht, dass “haschen” antriebslos, dumpf und dumm macht. Daher lehnte ich den ersten Joint höflich ab, der mir in einem sehr renovierungsbedürftigen, dafür aber äusserst mietgünstigen Haus an der Fischerau angeboten wurde. Dort hausten einige Freaks, die hingebungsvoll Castaneda, Michael Ende und Tolkien studierten. Es war die Zeit der Ashrams; der beginnenden Hausbesetzungen; die Zeit, in der der Begriff “Alternativkultur” geprägt wurde und in welcher die Stadträte, panisch besorgt, jegliche jugendlich-anarchische Eigeninitiative im Keim erstickten und aus Sicherheitsgründen lebendige Begegnungsstätten zu Parkplätzen sanierten.
Beim nächsten Kontakt wunderte ich mich. Wir waren mit zwei Strassenverkäufern zu einem Konzert verabredet. Doch statt zum städtischen “Haus der Jugend” zu fahren, steuerten sie ein kleines Wäldchen in der Umgebung an. Ich war noch nicht entjungfert – in keiner Beziehung – und lauschte mit gemischten Gefühlen der rätselhaften Unterhaltung: “Hast Du was?” – “Ne, ich dachte, Du hast was!” Ich konnte mir keinen rechten Reim aus dem Dialog machen. Um “was” handelte es sich? Nach einem sexuellen Überfall auf Minderjährige (ich war damals 16) sah es nicht aus. Unverrichteter Dinge (was auch immer) fuhren wir zum Konzert. Ich glaube, es war Alexis Korner.
Erst später wurde mir klar, dass es sich um den Mangel an Dope gehandelt hatte.
Inzwischen war ich hellhörig geworden. Das, was ich beobachtete, wenn Menschen im “Haschischrausch” oder auf der «gierigen Suche nach dem Rauschgift» waren, hatte nichts, aber auch gar nichts mit dem zu tun, was meine Mutter mir weiszumachen versuchte. Ich spürte intuitiv, dass ich mir meine eigene Meinung bilden musste. Und das tat ich, als sogenannte Tochter aus gutem Hause, am besten in der Stadtbibliothek. Ich lieh mir alles aus, was dem ersten Suchzugriff verfügbar war: Rudolf Gelpkes Drogen und Seelenerweiterung (das in der zweiten Auflage Vom Rausch im Orient und Okzident hiess2). Es sollte das Buch sein, das mich am meisten in meinem Leben beeinflusste. Der Schweizer Orientalist, ein enger Freund des LSD-Entdeckers Albert Hofmann, starb leider viel zu früh. Hingebungsvoll hatte sich der geniale Gelpke vor allem der persisch-mystischen Poesie gewidmet und so bekannte Dichtungen wie Märchen aus 1001 Nacht und Leila und Madschnun ins Deutsche übersetzt. In seiner Reflexion des Drogengebrauches in Ost und West konzentrierte er sich auf die Rolle von Alkohol und Nikotin im Westen und auf die von Haschisch und Opium im Osten, sprich Persien. Dieser Vergleich öffnete mir die Augen. Ich begriff, dass die Werte von Kultur zu Kultur zwar unterschiedlich sind, nichtsdestoweniger aber ebenso gleich gültig! Was erwünscht und verboten, heilsam oder giftig war, bestimmte nicht die Substanz sondern die Kultur!
Diese Erkenntnis nährte meinen Forschungsdrang und ich machte mich durstig auf nach weiterer Literatur. Ich fand sie in Aldous Huxleys Essays Pforten der Wahrnehmung und Himmel und Hölle3, in Baudelaires Studien zum Haschischgenuss im legendären Club des Hachichins4, in Psychedelische Erfahrungen auf der Basis des tibetanischen Totenbuchesvon Timothy Leary, Richard Alpert und Ralph Metzner5, in Alan Watts’ Kosmologie der Freude6, und in den Studien von Walter Benjamin zu Haschisch in Marseille7.
Als ich all das gelesen und verdaut hatte, machte ich mich auf die Suche nach “dem Stoff”. Ich wusste, dass in der persönlichen Erforschung von LSD, Cannabis, Meskalin und Psilocybin Wichtiges für mich lauerte und vor allem, dass es darum ging, meine eigenen Werte zu entdecken und gegen viele Irrmeinungen zu behaupten. Schliesslich hatte meine Mutter im Krankenhaus und in der Psychiatrie, wo sie hin und wieder als Anästhesistin bei den umstrittenen Elektroschocks assistierte, einen sehr einseitig negativen Zugang zu dem, was aus Menschen wird, die “Drogen zu sich nehmen”.
Allein in meiner Schülerklause, nahm ich andächtig und erwartungsvoll so manchen Kegel und so manches Blättchen LSD zu mir – damals noch völlig unberechenbar in der Dosierung. Allein mit mir und der Wirkung des “Steins der Weisen”, inspiriert von der Entdeckung des “Alten vom Berge”, Albert Hofmann (den ich Jahre danach persönlich kennenlernen sollte), durchforschte ich so manche Privathölle und durchkurvte unverdrossen einen “Horrortrip” nach dem anderen. Aus heutiger Sicht will ich diese einsamen Extremerfahrungen nicht missen. Es war mir wichtig, diese Reisen in mein eigenes Innenleben alleine anzutreten, denn ich wollte nicht in die Psychostrudel anderer verquirlt werden. Ich begegnete meinen Dämonen, lernte, mit ihnen zu sprechen und mich in einen windstillen Raum zurückzuziehen. Das hat mir mehr als alles andere geholfen, mich selbst zu erkennen und das Leben um mich herum.
Zugegeben: Vieles, was ich im Anschluss an die intellektuellen Studien praktisch betrieb, war nicht gerade der Karriere förderlich und schon gar nicht der Konzentration auf den Schulstoff. Dennoch hatte ich es geschafft, von zu Hause auszuziehen (das Klima war doch sehr unerquicklich geworden, nachdem die “Welten des Bewusstseins” aufeinanderprallten), das Abitur zu machen und in Freiburg im Breisgau das Studium der Kunstgeschichte und Ethnologie zu beginnen. Dort stürzte ich mich vor allem auf die Zeiten, Künstler und Werke, in denen es offensichtlich um eine visionäre Weltsicht ging. Ob diese nun durch psychedelische Erfahrungen oder intensive Phantasie zustande kam, sei dahingestellt.
Vom Nutzen der psychedelischen Erfahrung
Ohne den Einfluss von Psychedelika auf mein Bewusstsein wäre ich heute nicht da, wo ich bin und nicht die, die ich bin. Sie haben mein Leben, meine Denkweise, meine Interessen und Kontakte massgeblich geprägt. Sie erlaubten mir, hinter die Oberfläche blicken zu können, mir über meine eigenen Beweggründe und Triebe bewusst zu werden und zu den gesellschaftlichen Tabuthemen “Sex and Drugs and Rock ‘n’ Roll” eine eigene Meinung zu entwickeln. Sie zeigten mir die vielen Facetten der Wirklichkeit und ermöglichten mir dadurch, die kulturelle Wirklichkeit anderer Völker und die visionären Bilder von Malern und Malerinnen besser verstehen zu können.
Inzwischen bringe ich sogar den Mut auf, meine freie Tätigkeit – d.h. meine Publikationen, Vorträge, Konferenz- und Ausstellungsprojekte – der Vertiefung des Verständnisses anderer Welten des Bewusstseins zu widmen. Und ich bin jeden Monat erstaunt darüber, dass mir dies auf die ein oder andere Weise sogar gelingt und mich noch dazu finanziell über Wasser hält; dank der angewachsenen Zielgruppe potentieller Interessenten auf diesen Gebieten.
An dieser Stelle einen Dank an alle letzten und zukünftigen Mohikaner der psychedelischen Forschung.
Den Begriff “Drogen” schätze ich nicht. Er riecht mir zu sehr nach Krankenhaus und Pathologie. Das, was er eigentlich meint: “getrocknete Pflanzenteile” (Droge – dröge – trocken), assoziiert niemand mehr; eher die Fixerleiche auf dem Bahnhofsklo. Mit solchen stumpfen und trübsinnigen Welten jedoch haben die Erfahrungen, die ich und andere mit geistbewegenden Substanzen machte, nichts zu tun. Besser passen die Begriffe Entheogene oder Psychedelika, denn sie erwecken das Göttliche in der eigenen Natur und der Natur um uns herum und implizieren die Wirkung auf unsere Psyche. Ist es nicht erstaunlich und wunderbar, dass es Pflanzen gibt, die auf unseren Geist wirken und nicht nur auf unseren Körper? Wie viele andere, zu denen die Pflanzengeister sprachen, bin ich noch immer mit der faszinierenden Frage beschäftigt, welche Botschaften sie uns übermitteln und warum die Evolution uns eine Möglichkeit bot, mit der Pflanzenwelt zu kommunizieren.
Die Schamanen, die diese Kommunikationsmöglichkeiten schon immer nutzten, sind sich sicher: Entheogene erlauben ihnen, in andere Bewusstseinszustände zu kommen und in sonst unsichtbare Welten reisen zu können, in denen Antworten auf Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit liegen. Ihnen sind diese Pflanzen seit jeher heilig. Sie ermöglichen, sich eins zu fühlen mit der Natur. Erst dann ist der Mensch heil (d.h. ganz) und geheilt von der Abspaltung der Seele von Körper und Geist. Schamanen müssen sich nicht herumschlagen mit einer Verteufelung und Kriminalisierung – und auch nicht mit einem «Drogenmissbrauch» und den daraus resultierenden Folgen.
Sehr schnell ist mir klar geworden, dass Entheogene einen tiefen Einblick in die Wirklichkeit erlauben; das Gegenteil von der viel zitierten Flucht vor der Realität! Verschiedene Substanzen sind wie der Deckel auf den Topf der psychischen Konstitution verschiedener Menschen. Jede/r ist anders und reagiert verschieden auf verschiedene Substanzen. Ebenso verschieden sind die Motivationen und die Wahl der bevorzugten “Rauschmittel”. Rauschmittel ist eigentlich ein passendes Wort. Das schöne deutsche Wort “Rausch” beinhaltet das Eintauchen in ein Glücksgefühl. Man kann berauscht sein von der Liebe, von Farben, intensiven Naturerfahrungen oder einer überwältigenden Begegnung mit oder Erschaffung von Kunst. Denkt man jedoch an den Alkoholrausch, so kann es auch die Auflösung des Bewusstseins in einen Zustand der Verwirrung und Verblödung bedeuten. Wie immer ist es eine Frage der Absicht, des Verhaltens und der Wahl der Mittel. Wer Vergessen sucht, weil die persönliche Lage zu düster und hoffnungslos ist, will sich betäuben. Solche Menschen sind daran interessiert, endlich abgeschottet zu sein vom übermächtigen Leiden der eigenen Vergangenheit und Gegenwart. Dafür sind ihnen Alkohol, Heroin, Tranquilizer und Psychopharmaka passende “Rettungsanker”. Andere aber sind an einem Zuwachs von Erkenntnis interessiert. Sie wollen ihr Bewusstsein erweitern – und nicht substituieren durch ein berauschtes Bewusstseins. Diese Erweiterungsmöglichkeiten bieten ihnen Psychedelika wie LSD, Meskalin, Psilocybin, Peyote, San Pedro, Ayahuasca, Cannabis – ja sogar Coca und Opium.
Die psychedelische Zukunft
Die psychedelische Zukunft sehe ich nicht allzu düster – auch wenn die Politik allerorten diesbezüglich gerne einen Schritt vor und zwei zurück macht. Es gibt aber Hoffnung. (Auch wenn sie immer wieder – z.B. von der Europäische Union – zunichte gemacht wird.) Seit der weltweiten Drogenphobie, die drei Jahrzehnte bestimmte und zum absoluten Forschungsverbot psychedelischer Substanzen führte, hat sich in manchen Gehirnen offensichtlich etwas getan. Immerhin erhielten mittlerweile Forscher in den USA, der Schweiz, in Deutschland und Holland Bewilligungen, um Forschungen mit LSD, Ibogain, Psilocybin und Ketamin durchzuführen. Liest man z.B. die Stellungnahmen der verantwortlichen Personen, die in den USA für die Genehmigung von psychedelischer Forschung verantwortlich sind und sich mit Fragen der Volksgesundheit und des Drogenmissbrauches beschäftigen, so kann man sich über deren Bewusstseinserweiterungen nur wundern!8 Geradezu revolutionär ist in diesem Zusammenhang die kritische Selbsterkenntnis von Curtis Wright, ehemals Direktor der FDA Division of Anaesthetic, Critical Cara and Addiction Drugs und Teamleiter einer Abteilung, die sich mit suchterzeugenden Substanzen befasst. Er stellte sich die Frage, ob es gerechtfertigt sei, eine Substanz wie LSD, deren Toxizität wissenschaftlich nicht nachgewiesen wurde, strenger zu sanktionieren als eine Chemotherapie zur Behandlung von Krebs, die potentiell tödlich sein kann9 . Er und seine Behörde kamen schliesslich zum Ergebnis: “… dass die Food and Drug Administration alle Substanzen mit denselben Massstäben mass. Alle Substanzen bergen Risiken. Alle haben ihren Wert. Das gleiche gilt für die Erforschung dieser Substanzen.10″
Solch ein Haltungswechsel kam nicht ohne Druck von aussen zustande. 1989/90 mussten sich Curtis Wright und seine Mitarbeiter unangenehmen Fragen bei einer öffentlichen Anhörung stellen, die vom National Institute on Drug Abuse (NIDA) initiiert worden war. Der FDA hatte Anträge zur Erforschung der Toxizität von LSD, der Langzeitwirkungen auf Gehirnfunktionen und dem Potential einer möglichen Abhängigkeit unverständlich lange blockiert – und das, obgleich Millionen von Menschen diese Substanz zu sich nahmen und und zwar meist unter unkontrollierten Situationen und ohne die notwendige Vorbereitung. Wright wurde damals gefeuert. Gleichzeitig aber gab man ihm freieren Handlungsspielraum, damit er und seine Crew sich auf innovativere Weise auf mögliche Ergebnisse beantragter Forschungen konzentrieren konnten, anstatt auf den Prozess als solchen: “Behörden, die mit Kontrollaufgaben betreut sind, leiden unter einer chronischen Spannung zwischen Ablauf und Resultat. Das Gesetz ist die Instanz, die uns den Ablauf vorschreibt. Wir sind nicht frei zu entscheiden: Lasst es uns heute anders machen. 1989-90 erhielten wir von der Pilotstudie bestimmte Regulierungs-Bewilligungen, um in manchen Fällen von dem traditionellen Prozedere der Behörden abweichen zu können.11″
Das erstaunliche Beispiel vom Richtungswechsel eines USA-Hardliners macht Mut zur Hoffnung. Da gerade die USA gerne als Welt(gesundheits)polizei auf den Plan tritt, ist solch eine Bewusstseinsveränderung beispielgebend. Ebenso Hoffnung nährt die Tatsache, dass das Schweizer Bundesamt für Gesundheit, (das verantwortlich ist für die Bewilligung von Anträgen zur Prüfung des medizinischen Nutzens von Substanzen, die auf dem Index des Betäubungsmittelgesetzes, BTM, stehen), die klinische Prüfung von THC in der Indikation der Behandlung von Spastik bewilligt hat12. Hoffnungsvoll ist auch der (oft selbstlose) Einsatz diverser Verlage für die Publikation von Büchern, die sich verschiedenen Psychedelika widmen. Allen voran der Solothurner Nachtschatten Verlag und der Aarauer AT-Verlag (Schweiz), die deutschen Verlage MedienXperimente (bei Heidelberg) und VWB (Berlin). Enthusiasmus und Idealismus für die Sache sind für sie die Triebfeder – aber auch zunehmende Auflagenstärken.
Diese steigernden Verkaufszahlen für Bücher, deren Themen bislang nicht “stubenrein” waren, schlagen sich auch in der öffentlichen Meinung nieder. Seit der Lübecker Richter Wolfgang Nescovic 1992 juristisch die Frage nach dem “Recht auf Rausch” aufwarf, änderte sich in Deutschland die Haltung nachhaltig. Es sind nicht mehr nur die «langhaarigen Gammler», die eine gerechte juristische Bewertung aller Substanzen fordern, sondern auch ernstzunehmende Vertreter öffentlich Instanzen. Auch Menschen, die nicht “zur Szene” gehören und öffentliche Stellungen bekleiden, machen sich stark für eine Neubewertung von Substanzen, die auf dem Index stehen. Das veränderte die Meinung von Menschen nachhaltig, denen die Medien und die herrschende politische Meinung bislang einimpften, dass Drogen schlecht seien. Als unfreiwillige/er Zeuge/in von Unterhaltungen in öffentlichen Verkehrsmitteln kann man immer wieder feststellen, dass die Menge heute eher als vor Jahren geneigt ist, den Nutzen von sogenannten “Drogen” anzuerkennen.
Schliesslich realisiere ich, dass es weltweit Zusammenschlüsse von Menschen gibt, die eine revidierte Haltung und einen liberaleren Umgang mit Substanzen fordern, die auf dem Index des BTM stehen. Dazu gehören massgeblich das “Europäische Collegium für Bewusstseinsstudien / European Colleague for the Study of Consciousness” (ECBS/ ECSC), die “Multidisciplinare Association of Psychoactive Studies” (MAPS, USA), die Unternehmungen der “Seminars of Entheogen Studies” (USA, Mexiko), die Schweizer Ärzteschaft für psycholytische Therapie (SAEPT), die holländisch-deutsche Vereinigung “Psychoactivity” und die spanische Vereinigung “Societat Etnopsicologia Aplicada – Estudis Cognitius” (SEA). Sie alle führen Seminare, Workshops und Kongresse zum Thema durch und publizieren die entsprechenden Ergebnisse.
All diese Unternehmungen zeugen von wachsendem Interesse der Öffentlichkeit und geben Hoffnung für eine wertneutralere Diskussion der Substanzen, die als Nachhall auf die Inquisition noch immer auf dem Index stehen.
1 “Drogen” waren also Teil meiner Wirklichkeit. Allerdings wusste ich lange nichts über die Bestückung der Notfallkoffer meiner Narkose-Arzt-Mutter und meines praktischen-Mediziner-Vaters. Drogen existierten für mich nur in der Form als Alkohol. Als Kind und Jugendliche bekam ich Drogen – bei den Notfalleinsätzen meiner Mutter während ihrer Nacht- und Wochenenddienste – nur mit in den verheerenden Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs. Mit den lallenden, stinkenden Alkoholikern, die sich – narkotisiert durch die Alkoholwirkung – die neu vernähten Wunden wieder aufrissen, wollte ich unter keinen Umständen etwas zu tun haben.
2 GELPKE, Rudolf, München: 1975; Vom Rausch im Orient und Okzident, mit einem neuen Nachwort von Michael Klett, Klett-Cotta 1995, 2. Aufl.
3 HUXLEY, Aldous, München: Piper 1970.
4 BAUDELAIRE, Charles, Die künstlichen Paradiese, übers. und hrsg. von Hannelise Hinderberger, Köln: Hegner 1972 (Les Paradis Artificiels, Paris 1845)
5 LEARY, Timothy, Ralph METZNER und Richard ALPERT, The Psychedelic Experience, New York: University Books 1964.
6 WATTS, Alan, The Joyous Cosmology, New York: Random House, Pantheon Books 1962; Kosmologie der Freude, Aarau: AT 2000
7 BENJAMIN, Walter, Aufzeichnungen über Haschisch in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts; Über Haschisch, Frankfurt: Suhrkamp 1972.
8 PELLERIN, Cheryl, Trips – How Hallucinogens Work in your Brain, New York: Seven Stories Press 1996: 155-172.
9 ebd.: 163.
10 ebd.: 164.
11 ebd.: 163.
12 Oft stehen allerdings auch dort Machtinteressen im Vordergrund und das Bedürfnis, innovative Forschungen mit dem eigenen Namen in Verbindung gebracht zu sehen – vor allem in Zeiten, in denen das öffentliche Interesse eine solche Forschung erneut begünstigt.
Claudia Müller-Ebeling ist Autorin folgender Bücher: Schamanismus und Tantra in Nepal, Heilmethoden, Thankas und Rituale aus dem Himalaya, mit Christian Rätsch, Surendra Bahadur Shahi, Aarau 2000; Hexenmedizin, Die Wiederentdeckung einer verbotenen Heilkunst – schamanische Traditionen in Europa, mit Christian Rätsch, Wolf-Dieter Storl, Aarau 2001; Lexikon der Liebesmittel, Pflanzliche, mineralische, tierische und synthetische Aphrodisiaka, mit Christian Rätsch, Aarau 2003