august 2023 – goodnews editorial

wegwerfgesellschaft

Vor einigen Jahren sah ich am Fernsehen die Übertragung eines Konzerts von Bob Dylan im Nippon Budokan, einer überdachten Arena in Chiyoda, Tokio. Ursprünglich für die Olympischen Sommerspiele 1964 und für Kampfsportwettbewerbe gebaut, ist es akustisch eine der besten Hallen der Welt, in der schon zahlreiche berühmte Musiker aufgetreten sind. Als das Dylan-Konzert zu Ende und das Publikum gegangen war, blieb auf dem riesigen Gelände kein Krümel Abfall zurück. Man hätte vom Boden essen können.

In der Innenstadt von Denver, wo ich kürzlich die Psychedelic Science Conference besuchte, bot sich mir ein ähnliches Bild: Hier und da ein kleiner Fötzel, aber nicht die Mengen an Abfall, über die ich mich hier täglich ärgere. Ich habe auch keinen einzigen Streifenwagen gesehen, während sie hier allgegenwärtig sind. Das hält die Leute nicht davon ab, ihren Dreck überall zurückzulassen. Gewisse Kulturen sehen Abfall nicht als solchen, für sie ist der Müll ein Teil der Umgebung, wie jeder andere Dreck. Manche Menschen sind frustriert und verbittert über ihre Lebensumstände. Klar, dass sie ihren Dreck absichtlich hinter sich werfen. An der Uferpromenade des Zürichsees häuft sich am Morgen nach schönen Tagen der Dreck. Das Problem besteht nicht nur in dem, was man auf den ersten Blick sieht – Abfall oder Teile davon landen in Tiermägen, in unseren Gewässern, auf Feldern und im Wald. Der Müll verseucht die gesamte Natur, und damit auch uns selbst.

Wenn ich daran denke, wie viel Geld unsere Städte ausgeben, um die Hinterlassenschaften von Menschen zu beseitigen, die entweder zu dumm oder zu faul sind, ein paar Meter zum nächsten Abfalleimer zu gehen oder das, was übrigbleibt, mit nach Hause zu nehmen und dort zu entsorgen, dann stehen mir die Haare zu Berge. Was könnten wir mit diesem Geld alles Gutes tun, wenn wir nur ein wenig darin investieren würden, den Menschen beizubringen, dass es nicht in Ordnung ist, sich so zu verhalten. Bildung, Pflege, Natur, Kunst, bessere Arbeitsplätze für die Menschen, die jetzt hinter uns her putzen – die Liste scheint endlos. Ich bin nicht die Einzige, der sich beschwert, aber es passiert einfach nichts. Ich verstehe auch, dass Polizisten nach dreijähriger, intensiver Ausbildung etwas Besseres vorhaben, als Abfallstreife zu spielen.

Leute auszuspionieren ist nie ein gutes Gefühl, aber die Hilfssheriffs, die Bussgelder für falsch parkierte Autos und andere geringfügige Verkehrsverstösse verteilen – die hätten doch sicher nichts dagegen? Allerdings könnten sie nicht allein los gehen. An die Vernunft zu appellieren, kommt nicht immer gut an, und es ist viel weniger einfach, rüpelhaften Menschen ein Bussgeld aufzuerlegen, als ein Nummernschild zu identifizieren. Soll ich einfach wegschauen? In eine vornehme Gegend ziehen? Aufs Land? Seufz.

Unser Jubiläum am 23. Juli hat eine nette kleine Menschenmenge angezogen. Vielen Dank denjenigen, die teilgenommen haben. Unsere Mitgliederzahl steigt stetig an; unsere wichtigste Priorität bleibt, Sie zu informieren, zu unterhalten und zu vernetzen und unsere vielen Bücher aufzunehmen. Eine Mitgliedschaft kostet umgerechnet fünf Franken pro Monat . Überlegen Sie es sich bitte, wir sind auf Ihr Unterstützung angewiesen!

Herzlich Ihre
Susanne G. Seiler
 
P.S. Sie finden uns jeden Donnerstagnachmittag von 14 – 18 Uhr in der gaialounge, Hochstrasse 70 in Basel (hinter dem Hauptbahnhof Basel SBB, Haltestelle Peter Merian). Herzlich willkommen!


leichter sommer

für Bernard Noël
als läge noch eine schicht zwischen ihnen
und dem schmalen streif der küste
traten die wolken hervor, scharf ab-
geschnitten an der unteren kante, oben
ein faltiger riemen, in den die möwen kleine
löcher stanzten. beim nächsten aufschauen
hatte dunst die fläche aufgerauht und der wind
verfing sich in den drahtnetzen
knapp unterm wasserspiegel, die vögel
waren längst verschwunden, der himmel
hielt noch ein weilchen jene luft
die unter ihren flügeln rauschte

Nico Bleutge

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