wege zur legalisierung
Dass Cannabis in den deutschsprachigen Ländern nach wie vor nicht entkriminalisiert wurde, ist äusserst bedauernswert. Wenn ich bei uns in Denner gehe und für hunderte Franken Schnapps, Wein und Bier kaufe, fragt mich niemand nach meiner Berechtigung. Dabei gehen die durch Alkohol verursachten medizinischen und gesellschaftlichen Schäden jedes Jahr in die Abermillionen, was wir alle wissen. «Kifferin» soll ich mir aber auf die Stirn schreiben und mich dafür potenziell von Versicherungen, Krankenkassen und Arbeitsgeberinnen diskriminieren lassen?
Und wenn Cannabis – endlich – entkriminalisiert wird, wie verfahren wir dann mit den psychedelischen und schliesslich mit allen anderen Substanzen? Wie bereits im letzten Editorial erwähnt, ist das medizinisch kein Problem, wenigstens bei uns, wo inzwischen gegen siebzig Therapeuten über offizielle Lizenzen verfügen, um ihre Klientel psychedelisch zu betreuen. Und sonst? Claude Weill, Autor des lesenswerten Buchs Elysium und zurück, meint: «Wer erwachsen ist, das nötige Grundlagenwissen mitbringt und unter Anleitung erste Erfahrungen mit Psychedelika gemacht hat, soll legal konsumieren dürfen.» Im gleichen Artikel des ‘Beobachter’ vom 30. März 2020 meint Suchtmediziner Toni Berthel: Erwachsene «brauchen keine Lebensführungs-Besserwisser».
Aber wie soll das konkret vor sich gehen? Was wir sicher brauchen, ist ein Netzwerk für spirituelle Krisen, denn auch wer die Lizenz zum Konsum von Psychedelika erlangt, kommt nicht unbedingt auf immer und ewig allein mit seinen Erfahrungen zurecht. Gruppenarbeit ist angesagt, und ein Netz aus freiwilligen Betreuerinnen sollte es auch geben. Wir müssen dem Kommerz der aufkeimenden Psychedelika-Industrie eigene Wege entgegensetzen, wollen wir uns nicht vereinnahmen und ausnutzen lassen. Woher die Substanzen dazu kommen sollen, muss auch geregelt werden. Eingangs erwähntes medizinische Modell bringt die richtigen Ansätze. Wie können Private davon profitieren und damit Geld in die richtigen Kassen spülen, nämlich ins universitäre Umfeld, wo es nicht um Profit, sondern um eine andere Art von Gewinn geht, nämlich um Erkenntnisse?
Und was machen wir schliesslich mit den unzähligen Kokainisten und den anderen Konsumentinnen süchtig machender Substanzen? Wie kommen sie sicher an ihren Stoff, wenn sie nicht zu den Härtefällen gehören, die von unserem Heroinprogramm profitieren? Soll es ihnen wie im Song ‘You Can’t Always Get What You Want’ der Rolling Stones gehen, in dem sie in einer Apotheke hinter einem Mr. Jimmy anstehen, um ihr Rezept einzulösen? Ärzte verschreiben, Nutzer nutzen? Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Menschen, die sich wohl für Subtanzen, aber nicht unbedingt für Bewusstseinserweiterung interessieren, draussen in der Kälte stehen zu lassen. Das psychedelische Ethos ist human und inklusiv. Alles weitere wird sich weisen.
Wärmste Grüsse aus der Kälte von
Ihrer
Susanne G. Seiler
P.S. Sie finden uns jeden Donnerstagnachmittag von 14 – 18 Uhr in der Gaia Lounge, Hochstrasse 70 in Basel (Nähe Hauptbahnhof Basel SBB, Haltestelle Peter Merian). Herzlich willkommen!
haiku (aus Polarnacht)
Der blaue Falke
Sammelt Eiskristalle
Webt dem Wind ein Nest
Inger-Marie Aikio