juni 2022 – goodnews editorial

zickenkrieg

Als ich jung war, gab es im Wesentlichen vier sexuelle Orientierungen. Man war ein Mann, eine Frau, ein Homosexueller oder eine Lesbe. Als Untervariante gab es Menschen, die beide Geschlechter liebten. Unter den Homosexuellen waren welche, die sich gerne als Frauen kleideten; gewisse Frauen trugen Anzüge. Das waren Transvestiten. Während der Olympischen Spiele in den fünfziger bis achtziger Jahren schienen bullig aussehende Frauen aus den Ländern des Eisernen Vorhangs einen Vorteil gegenüber weiblicheren Konkurrentinnen zu haben und wurden getestet. Wenn sie genügend weibliche Hormone aufwiesen, wurden sie durchgewinkt und behielten ihre Medaillen, sonst Adieu! Auch kannte man seit der Antike den Hermaphroditen, ein Wunder, das in Federico Fellinis Satyricon (1969) einem grösseren Publikum vorgeführt wurde. Man schätzt, dass etwa eines von 83’000 Kindern sowohl mit einer Vagina als auch mit einem Penis geboren wird. Sobald sie die Mittel dazu hatte, bestimme die Gynäkologie das Geschlecht dieser Kinder. Glücklicherweise scheint diese anmassende Praxis ein Auslaufmodell zu sein. Es gibt eine beträchtliche Anzahl von bekannten Fällen von Hermaphroditen, die geboren haben. Bei uns kann jeder und jede wählen, ob sie ein Mann oder eine Frau sein wollen. Oder eben beides. Um das Geschlecht wechseln, nimmt man vielerlei Hormonpräparate und unterzieht sich invasiven Operationen; man muss zum Psychiater, und es gibt viel Papierkram zu erledigen. Niemand würde sein Geschlecht aus einer Laune heraus ändern, dazu ist es ein zu schmerzhafter und langwieriger Prozess. Dass ein ehemaliger Mann im Sport einen Vorteil gegenüber anderen Frauen haben soll, scheint willkürlich. Erfüllen die Hormone ihre Aufgabe denn nicht? Wenn sie Brüste spriessen lassen können, können sie dann nicht auch ein paar läppische Muskeln zurückbilden? Gut durchtrainierte Cis-Frauen sind zu Recht stolz auf ihre körperliche Stärke. Warum also sollten Transgender-Frauen von weiblichen Sportmannschaften ausgeschlossen werden? Und wenn wir schon dabei sind: Es ist Ausgrenzung pur, dass die Paralympics und die Invictus Games als Kategorie nicht Teil der «normalen» Olympischen Spiele sind. Wir sitzen alle im selben Boot.
Ich hoffe, Sie geniessen Sie, trotz schwerer Zeiten, das kommende Sommerwetter.

Susanne G. Seiler

P.S. Der 2. Psychedelische Salon in Basel brachte tolle Gäste, jung und alt. Unsere Lounge ist immer noch donnerstags von 14-18 Uhr geöffnet, mit einer zunehmenden Anzahl von Abendprogrammen. Herzlich willkommen!!


grün lesen

dass man ist
dass man gewesen ist
hier war
oder hätte sein können
ein grund für etwas
eine decke für etwas
eine nach der man
sich streckt decke
die zudeckt eine
verdeckt
ein fell
für alle fälle
grün
durch das
der wind geht
und liest

Doris Runge

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