50 jahre ökotopia
Ende der Siebziger Jahre las ich erstmals Ernest Callenbachs 1975 erschienene Utopie über eine Zeit in nicht allzu ferner Zukunft (1999), in der sich der nördliche Teil von Kalifornien sowie Oregon und Washington vom Rest der Vereinigten Staaten abspalten und einen eigenen Staat gründen, Ökotopia eben, so auch der Titel des Buchs. Es handelt von einem skeptischen Reporter namens William Wesson, der vom amerikanischen Präsidenten ausgesandt wird, um zu sehen, wie dieses verlorene Land zurückerobert werden könnte.
Angewidert von den politischen Ereignissen in Trumps Unrechtstaat, in dem anonyme Agenten des Ministeriums für innere Sicherheit in Heime, Schulen und Supermärkte eindringen, um die illegalen Einwanderer zu verhaften und abzuschieben, an deren Hungerlöhne ein grosser Teil der amerikanische Wirtschaft hängt, habe ich es wieder in die Hand genommen. Es ist ein Buch, das Mut macht und vieles vorweg nimmt, das wir uns damals kaum vorstellen konnten, heute aber zu unserem Alltag gehört: Recyclingstationen, sexuelle Experimentierfreudigkeit, die Legalisierung von Cannabis, Fitness als Kult, ein Helikopterkrieg, der den heutigen Drohnenkriegen in nichts nachsteht, Kriegsspiele mit echten Opfern. Ich will nicht zu viel verraten, und es würde mich freuen, wenn Sie das Buch lesen (deutsch bei Reclam). Englisch gibt es auch eine Fortsetzung, Ecotopia Emerging, worin geschildert wird, wie es zu zur Abspaltung kam und was sie ermöglichte.
Auch wenn es den meisten von uns in Europa besser geht als vielen US-amerikanischen Bürger:innen, sind wir noch lange nicht dort, wo wir sein müssten, damit wir das, was im Eiltempo auf uns zu rast, bewältigen und abwenden können. Dieser Sommer schlägt jetzt schon alles und macht das zur Wirklichkeit, wovor Klimatologen eindringlich warnen: Immer früher, immer heisser!
Als Wesson nach Ökotopia kommt, ist er zunächst misstrauisch und fürchtet um sein Leben. Seine Beobachtungen und Erlebnisse hält er in offiziellen Berichten und privaten Notizen fest. Mit der Zeit lernt er das fremde Land besser verstehen. Und er verliebt sich.
Vielleicht entnehmen Sie diesem spannenden Buch einige Ideen, die sich auf Ihren Alltag anwenden lassen und wehren sich an der Urne für unseren bedrohten Planeten. Verdrängen bringt nichts. Dass es auch anders geht, zeigte Ernest Callenbach, Autor, Filmemacher und Anhänger des einfachen Lebens, schon von fünfzig Jahren.
Nachdenklich Ihre
Susanne Seiler
P.S. Der Journalist, Autor, Kultur- und Medienschaffender Dominik Landwehr hat vor rund zwei Wochen einen Podcast mit mir aufgenommen. Ich habe nicht alles sagen können, was mir am Herzen liegt, aber das meiste ist drin. Hören Sie selbst!
P.S.S. Sie finden uns in der gaiamedia lounge, im Hinterhof der Hochstrasse 70 (hinter dem Bahnhof Basel SBB, Tramhaltestelle Peter Merian), jeden Donnerstagnachmittag von 14 – 18 h. Herzlich willkommen!